Das geplante Projekt einer neuen Höchstspannungs-Freileitung muss den gesetzlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes genügen.
Dies verbietet, „wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören.“[BNatSchG]
Das nördliche Münsterland ist eine Region, die sich durch ihre vielfältige Landschaft und ihre reiche Natur auszeichnet. Es ist bekannt für seine weitläufigen Parklandschaften, historischen Schlösser und Burgen sowie eine Vielzahl an schützenswerten Ökosystemen und Arten.
Landschaft und Natur
Das Münsterland ist geprägt durch eine abwechslungsreiche Landschaft, die sowohl von landwirtschaftlich genutzten Flächen als auch von Wäldern, Heiden, Mooren und Feuchtgebieten bestimmt wird. Diese Vielfältigkeit bietet Lebensraum für eine große Anzahl an Pflanzen- und Tierarten, die in anderen Teilen Deutschlands selten geworden sind. Die flache bis leicht hügelige Topographie, durchzogen von Flüssen und Bächen, bildet die Grundlage für diese Biodiversität.
Besondere Ökosysteme
Feuchtgebiete und Moore
Feuchtgebiete und Moore sind im nördlichen Münsterland von besonderer ökologischer Bedeutung. Diese Gebiete sind wichtige Kohlenstoffspeicher und bieten Lebensraum für spezialisierte Pflanzen und Tiere. Sie beherbergen seltene Pflanzen wie den Sonnentau und seltene Tiere wie die Kreuzotter und zahlreiche Amphibienarten.
Wälder und Heiden
Die Wälder des Münsterlandes sind größtenteils Laubwälder, die aus Eichen, Buchen und anderen heimischen Baumarten bestehen. Besonders bedeutend sind die Auenwälder entlang der Flüsse wie der Ems. Diese Wälder sind wichtige Rückzugsgebiete für viele Vogelarten und bieten Schutz vor Überschwemmungen.
Sandheiden und Magerrasen
Auch die Sandheiden und Magerrasen sind wichtige Biotope, die eine einzigartige Flora und Fauna beherbergen.
Streuobstwiesen
Im Münsterland finden sich noch sehr zahlreiche alte Streuobstwiesen. Dies sind ökologisch äußerst wertvolle Kulturlandschaften, die eine bedeutende Rolle im Naturschutz spielen. Diese traditionellen, extensiv bewirtschafteten Flächen bieten Lebensraum für eine außergewöhnlich hohe Biodiversität. Die alten, hochstämmigen Obstbäume bieten Nistmöglichkeiten für Vögel wie den Steinkauz und den Gartenrotschwanz, während das vielfältige Blütenangebot Insekten wie Bienen, Schmetterlingen und Käfern Nahrung und Lebensraum bietet. Unter den Bäumen gedeihen artenreiche Wiesen mit zahlreichen Wildblumen und Gräsern, die wiederum Schmetterlingen, Wildbienen und anderen Insekten Nahrung bieten. Der Erhalt und die Pflege von Streuobstwiesen sind daher zentrale Maßnahmen im Naturschutz, die nicht nur die Biodiversität fördern, sondern auch kulturelle und landschaftliche Werte bewahren.
Bedrohte Tierarten
Die Liste der bedrohten Tierarten, die im nördlichen Münsterland noch sichere Lebensräume finden, ist so lang, das man kaum alle Arten im Einzelnen vorstellen kann.Einige der bemerkenswertesten sind:
Vögel
Es befindet sich hier ein bedeutendes Brut- und Rastgebiet für viele Vogelarten. Der Weißstorch hat hier ebenso wie der Reiher, Kiebitz und der selten gewordene Wachtelkönig wichtige Brutgebiete. Auch Greifvögel wie der Rotmilan und der Seeadler sind in dieser Region heimisch. Kraniche und Kornweihen nutzen die Region als überlebenswichtigen Rastplatz auf ihren Zugwegen. Beispielhaft sind hier zwei besonders bedrohte Arten genannt:
Steinkauz: Der bedrohte Steinkauz mit seinen speziellen Bedürfnissen an Brutplätzen, bewohnt hier noch selten gewordene Lebensräume (sehr alten Baumbestand, Streuobstwiesen). Er gehört zu den gefährdeten Arten: „Da der Steinkauz in Nordrhein-Westfalen einen mitteleuropäischen Verbreitungsschwerpunkt bildet, kommt dem Land eine besondere Verantwortung für den Schutz der Art zu.“[ Artenschutz NRW]
Rohrweihe (Rote Liste NRW 2016): Auch die selten gewordene Rohrweihe steht in NRW auf der Vorwarnliste. Es wurden Erhaltungsziele und Erhaltungsmaßnahmen für die Rohrweihe formuliert: „Schutz aller Brutvorkommen in Nordrhein-Westfalen, Vermeidung der Zerschneidung und Verinselung der besiedelten Lebensräume (z.B. Straßenbau, Stromleitungen, Windenergieanlagen).“ [Artenschutz NRW] Und weiterhin: „Erhaltung und Entwicklung von Waldgebieten mit lichten Altholzbeständen sowie von offenen, strukturreichen Kulturlandschaften; Vermeidung der Zerschneidung und Verinselung der besiedelten Lebensräume (z.B. Straßenbau, Windenergieanlagen); Erhaltung und Entwicklung von geeigneten Nahrungsflächen (v.a. Grünland- und Ackerflächen, Säume, Belassen von Stoppelbrachen); Erhaltung der Horstbäume mit einem störungsarmen Umfeld; Vermeidung von Störungen an den Brutplätzen (März bis Juli); Entschärfung bzw. Absicherung von gefährlichen Strommasten und Freileitungen.“[ Artenschutz NRW]
Kiebitz: Der Kiebitz (Vanellus vanellus) steht in Deutschland und Europa vor erheblichen Bedrohungen, die zu einem dramatischen Rückgang seiner Bestände geführt haben. Eine der Hauptursachen ist der Verlust und die Veränderung seines Lebensraums. Schutzmaßnahmen wie die Ausweisung von Schutzgebieten, Renaturierung von Feuchtwiesen und gezielte Bewirtschaftungspraktiken sind daher dringend erforderlich, um den Fortbestand des Kiebitzes zu sichern. Im nördlichen Münsterland wurden in den letzten Jahren von Naturschützern, auch mit Mitteln des Landes, erhebliche Bemühungen unternommen, den Kiebitz wieder an geeigneten Stellen anzusiedeln. Einige dieser Wiederansiedelungsprojekte sind jetzt unmittelbar durch einen Trassenbau bedroht. [Artenschutz NRW]
Kuckuck (Rote Liste NRW 2016): Immer seltener hört man den Ruf des Kuckucks. Er gehört zu den stark gefährdeten Arten. Er benötigt offene, strukturreiche Landschaften mit einer Mischung aus Wiesen, Weiden, Heideflächen, Feuchtgebieten und lichten Wäldern. Genau diese vielfältige, mosaikartige Landschaft ist im nördlichen Münsterland gegeben, weshalb hier noch eine geringe und besonders schützenswerte Population dieser seltenen Vögel zu finden ist. [Ornithologen NRW]
Rotmilan (Milvus milvus) (Rote Liste NRW 2016): Der Rotmilan steht europaweit auf der „Vorwarnliste“ Der Rotmilan benötigt für seinen Lebensraum eine vielfältige Kulturlandschaft mit einer Mischung aus offenen Flächen und Waldgebieten. Dieser Greifvogel bevorzugt ländliche Regionen, in denen er ausgedehnte Wiesen, Felder und Weiden findet, die ihm reichlich Nahrung bieten. Wälder und Baumgruppen spielen eine wichtige Rolle, da der Rotmilan dort seine Horste baut. Besonders bevorzugt werden lichte Altholzbestände, in denen er ungestört brüten kann. Eine Nähe zu Gewässern ist ebenfalls von Vorteil, da diese zusätzliche Nahrungsquellen bieten. Ein solches Landschaftsbild ist im nördlichen Münsterland gegeben. „Da etwa 65% des Weltbestandes vom Rotmilan in Deutschland vorkommt, trägt das Land Nordrhein-Westfalen eine besondere Verantwortung für den Schutz der Art.“[ Artenschutz NRW]. Naturschützer haben den Rotmilan unter erheblichen Kosten und Mühen wieder angesiedelt. Dort, wo er erfolgreich wieder Lebensraum und Brutplätze angenommen hat, ist jetzt eine Höchstspannungsstromtrasse geplant, die den Rotmilan mit Sicherheit wieder vertreiben wird. Dies bedeutet nicht, dass er sich einfach woanders ansiedelt, sondern dass er höchstwahrscheinlich keine geeigneten Ausweichstellen für seine Brut finden wird.
Amphibien und Reptilien
In den Feuchtgebieten des Münsterlandes leben zahlreiche Amphibienarten wie der stark bedrohte Feuersalamander, der Laubfrosch und der Kammmolch. Auch Reptilien wie die Zauneidechse und die bereits erwähnte Kreuzotter finden hier geeignete Lebensräume.
Insekten
Das Münsterland ist ein Paradies für Schmetterlinge, Libellen und andere Insektenarten. Besonders bemerkenswert sind hier die Große Moosjungfer, eine seltene Libellenart, und der Schwalbenschwanz, ein imposanter Schmetterling. Wildbienen vieler Arten finden hier immer seltener werdende Lebensräume. Sie sorgen dafür, dass auf den hier noch zahlreich vorhandenen alten Streuobstwiesen – die wiederum eigene, wichtige Ökosysteme darstellen – Jahr für Jahr die Blüten bestäubt werden, und eine gute Obsternte möglich wird.
Fledermäuse
Alle Arten von Fledermäusen sind von zahlreichen Bedrohungen betroffen, die zu einem starken Rückgang ihrer Populationen führen und immer mehr Unterarten werden auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten gesetzt. Eine der größten Gefahren ist der Verlust und die Zerstörung ihrer Lebensräume, Wochenstuben, Schlafplätzen und Jagdgebiete. Fledermäuse meiden instinktiv Magnetfelder, wie sie insbesondere in der Nähe von Höchstspannungsleitungen vorkommen. Diese Leitungen schneiden sie also von ihren Nahrungsquellen in der Nähe der Wochenstuben ab.
Die Fledermaus kann im Bedrohungsfall nicht ausweichen, da sie auf die sehr selten gewordenen geeigneten Plätze für die Überwinterung und Aufzucht ihrer Jungen (alte Bäume mit Höhlungen, Felsspalten, alte Kirchtürme) und ein dazugehöriges Jagdgebiet angewiesen sind. Auch ihre Hauptnahrung, die nachtaktiven Insekten, meiden Höchstspannungsleitungen und werden zusätzlich durch deren nächtliche Beleuchtung in ihrem Verhalten denaturiert. [Artenschutz NRW]
Schutzmaßnahmen und Naturschutzgebiete
Der Schutz der Natur im Münsterland wird durch eine Vielzahl von Naturschutzgebieten und speziellen Schutzmaßnahmen gewährleistet. Es gibt zahlreiche Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und Natura 2000-Gebiete, die dazu beitragen, die einzigartigen Ökosysteme und Arten zu bewahren.
Die Planung und der Bau von Höchstspannungsleitungen sieht zahlreiche Ausnahmen von der Naturschutzgesetzgebungen vor. Hier werden nicht nur Investitionen in, sondern auch die Sicherung der Lebensqualität zukünftiger Generationen ad absurdum geführt.
Bedeutung für den Menschen
Die Naturlandschaften des Münsterlandes sind nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt von großer Bedeutung, sondern auch für den Menschen. Sie bieten Erholungsräume und tragen zur Lebensqualität der Bewohner bei. Die zahlreichen Wander- und Radwege, wie die berühmte „100-Schlösser-Route“, die Premiumwanderwege “Teutoschleife” und der “Herrmannsweg”, ermöglichen es, die Natur hautnah zu erleben und ihre Schönheit zu genießen.
Die Natur des nördlichen Münsterlandes hat für Menschen aber nicht in erster Linie einen Freizeitwert. Sie sorgt dafür, dass die Folgen des Klimawandels durch schattengebende Wälder und Wasseraufnehmende Feuchtgebiete abgemildert werden.
Artenschutz bedeutet Zukunftssicherung für die Ernährung der Menschen. Das ökologische Gleichgewicht und der Verbund von Naturschutzarealen gleicht die Monokulturen, die unserer Ernährung dienen, jetzt noch zu einem beträchtlichen Teil aus.
Fazit
Das Münsterland ist eine Region von außerordentlicher ökologischer Bedeutung und landschaftlicher Schönheit. Die vielfältigen Ökosysteme, die geschützten Arten und die durchdachten Naturschutzmaßnahmen machen es zu einem einzigartigen und wertvollen Naturraum, der es verdient, erhalten und geschützt zu werden.
Die Balance zwischen menschlicher Nutzung und Naturschutz ist hier auf vorbildliche Weise umgesetzt und dient als Beispiel für den nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Die Münsterländische Natur- und Parklandschaft ist ein für nachfolgende Generationen zu schützendes Kulturgut.
Der Bau einer Höchstspannungsfreileitung verstößt eklatant gegen die Erhaltungsziele und –maßnahmen des Landes NRW.